LESEPROBE<
Candice Millard, Der Fluss der Götter - Die abenteuerliche Expedition zu den Quellen des Nils, Frankfurt 2023, S. Fischer S.160-162: Allein die Esel stellten eine schier unüberwindliche Hürde dar. „Auskeilend, buckelnd, steigend und stampfend“, trotzten sie jedem Zähmungsversuch mit einer Wildheit, dass sogar jene vor ihnen kapitulierten, die eigens zu ihrer Handhabung angeheuert worden waren. Es war nahezu unmöglich, die zweihundert Pfund schweren Lasten sicher festzuzurren, weil die Stricke, die sie halten sollten, bereits zu faulen begannen. Unterwegs waren die Tiere, sofern das überhaupt möglich war, noch schwieriger zu bändigen. „Die Esel scheuen, stolpern, steigen, nehmen Reißaus, kämpfen, werfen sich zu Boden oder drehen Pirouetten, sobald sie bestiegen werden“, schrieb Burton entnervt. „Sie bocken und buckeln, bis ihre Gurte reißen, stolpern für ihr Leben gern in Löcher und Mulden und rennen umher wie Schweine, wenn der Wind bläst.“ Im Laufe der Zeit schrumpfte die zusammengewürfelte Eselschar von dreißig Tieren auf die Hälfte. Einer wurde bei einem übereilten Aufbruch versehentlich zurückgelassen. Zwei suchten das Weite, als niemand hinsah, und ein anderer hatte sich den Rücken dermaßen verrenkt, dass er kaum noch laufen, geschweige denn die sperrigen, viel zu schweren Packen tragen konnte. Ein für seine Bösartigkeit berüchtigtes Tier, der ‚einäugige Satan‘ genannt, weil es irgendwann ein Auge verloren hatte, legte sich kurzerhand auf den Boden und regte sich nicht mehr von der Stelle. Schließlich wurde der Esel „in die Wildnis entlassen“, schrieb Burton, „weil kein Mensch es wagte, ihn zu beladen und am Strick zu führen.“ Eines Nachts wurden die Männer von den Schreien dreier Esel aus dem Schlaf geschreckt. Eine Hyäne hatte sie attackiert und ihnen Fleisch aus den Flanken gerissen. „Das waren allerdings die Tiere, die wir aus Sansibar hergebracht hatten“, notierte Burton. „Der Esel vom Festland wehrt sich mit Zähnen und Hufen gegen seinen feigen Angreifer.“ Das Wetter war ebenso unvorhersehbar und launisch wie die Esel. Bald herrschte brütende Hitze, versengte ihnen die Gesichter und zehrte an ihren Kräften, bald goss es in Strömen, und Gewitterstürme trieben blauviolette Wolkengetüme über den Himmel. „Wütende Windstöße verschossen Regentropfen wie Musketenkugeln“, schrieb Burton. „Die hohen, steifen Bäume bogen sich ächzend in den Böen; die Vögel wurden kreischend von ihren Ruheästen gescheucht; die Esel standen mit gesenkten Köpfen und hängenden Ohren da, die eingezogenen Schwänze dem Wetter zugewandt, und sogar die Tiere der Wildnis schienen in ihren Höhlen Zuflucht gesucht zu haben.“ Der Boden, durchnässt nach tagelangem Monsunregen, sog an ihren Füßen, so dass die Expedition nur noch schleppender vorankam, was alles überschattete. „Der Erde … entströmt ein schwefliger Geruch“, schrieb Burton, „und mancherorts könnte der Wanderer hinter jedem Busch eine Leiche vermuten.“ Selbst wenn es nicht regnete, war alles, was die Expedition mitführte, entweder feucht, tropfend nass, faulig oder verrostet. Ob wissenschaftliche Instrumente oder persönliche Utensilien, alles zerfiel langsam in seine Einzelteile […] © 2023 S.Fischer Verlag GmbH Frankfurt, alle Rechte, insbesondere auch die Nutzung für Text- und Datamining im Sinne von § 44b UrhG, vorbehalten